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Überbau und Open Access im Glasfaserausbau: Herausforderungen und Lösungsansätze

Zuletzt aktualisiert: 05. April 2023

Der Glasfaserausbau in Deutschland ist von entscheidender Bedeutung für die digitale Zukunft des Landes. Doch die aktuellen Entwicklungen rund um den sogenannten Überbau und die Forderungen nach Open Access werfen wichtige Fragen auf.

Laut BREKO Marktanalyse sind 223 Kommunen in 13 Bundesländern vom Doppelausbau betroffen. Der BREKO macht vor allem die Telekom dafür verantwortlich und wirft ihr strategischen Doppelausbau vor.

In diesem Blogbeitrag werfen wir einen Blick auf die Definitionen, analysieren bestehende Probleme und diskutieren Lösungsansätze. 

Überbau im Glasfaserausbau: Was ist das?

Bevor wir tiefer in die Thematik eintauchen, klären wir zunächst den Begriff Überbau. Im Kontext des Glasfaserausbaus bezeichnet Überbau die redundante Verlegung von Glasfaserinfrastruktur durch verschiedene Anbieter in bereits erschlossenen Gebieten.

Dadurch entstehen vor allem folgende Probleme:

  1. Kosten und Ressourcenverschwendung: Überbau führt zu unnötigen Kosten und Ressourcenverschwendung, da bereits bestehende Infrastruktur erneut verlegt wird.
  2. Fragmentierung der Netzwerke: Durch Überbau entstehen fragmentierte Netzwerke, was zu Ineffizienzen bei der Wartung und Pflege der Infrastruktur führen kann.
  3. Mangelnde Investitionsanreize: Die Existenz von Überbau kann Investoren abschrecken, da die Rentabilität der Infrastruktur in Frage gestellt wird.

Überbau im Glasfaserausbau: Eine ökonomische und rechtliche Analyse

Die jüngst veröffentlichte Studie "Doppelausbau von Glasfasernetzen – Ökonomische Analyse und rechtliche Einordnung" im Auftrag des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV) durch WIK-Consult zeigt auf, dass der Doppelausbau von Glasfasernetzen nicht nur in Regionen problematisch ist, in denen wirtschaftlich nur ein Netz betreibbar ist. Auch dort, wo theoretisch zwei oder mehr Glasfasernetze wirtschaftlich sein könnten, entstehen Herausforderungen. Entscheidend ist dabei die Verteilung der Marktanteile, die wiederum von der Bestandsinfrastruktur und der Anzahl der Bestandskunden abhängt.

Die Studie kommt zu dem Schluss, dass der Doppelausbau problematisch ist, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen beteiligt ist. Dies stellt laut dem Bundesverband Breitbandkommunikation (BREKO) insbesondere die Telekom in den Fokus. Die Strategien und Ankündigungen der Telekom könnten den erfolgreichen Glasfaserausbau in Deutschland beeinträchtigen. Demnach kann es bereits ausreichen, wenn ein Unternehmen einen Doppelausbau ankündigt, damit sich kleinere Telekommunikations-Unternehmen zurückziehen und den geplanten Ausbau nicht umsetzen. 

Eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln zeigt nun, dass auch Open Access zu rechtlichen Problemen führen kann. Vodafone und der Münchner Anbieter M-net kooperieren im Bereich Open Access, konnten sich aber nicht auf monatliche Gebühren je Endkundenanschluss einigen. Aus Sicht der M-net waren die zunächst angesetzten Vorleistungsentgelte zu hoch, um mit der Vodafone in Wettbewerb treten zu können. 

Nach § 155 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) kann die Bundesnetzagentur die vertraglichen Bedingungen in einem Streitbeilegungsverfahren festlegen, wenn die Telekommunikationsunternehmen sich nicht selbst einigen können. Von dieser Kompetenz hat die Bundesnetzagentur im Fall M-net und Vodafone Gebrauch gemacht. Allerdings hat das Verwaltungsgericht in Köln auf Eilantrag der Vodafone diese Entscheidung für rechtswidrig erklärt. Laut dem Gericht habe die Behörde voreilige Schlüsse gezogen und den Beteiligten nicht hinreichend rechtliches Gehör gewährt. Die Bundesnetzagentur hatte Durchschnittspreise aus bereits vereinbarten monatlichen Entgelten für die Mitnutzung von Glasfasernetzen errechnet. Dagegen hat sich die Vodafone erfolgreich zu Wehr gesetzt. Das Verfahren wird in der Branche genau beobachtet und gilt als Präzedenzfall für künftige Streitfälle.

Auf europäischer Ebene kam nun ein Zeichen gegen Überbau und für Open Access, zumindest laut BREKO. Nach monatelangen Verhandlungen haben am 06. Februar EU-Kommission, Parlament und Rat eine vorläufige Einigung – die noch formell angenommen werden muss – zum Gigabit Infrastructure Act (GIA) erzielt. Demnach können Glasfaser ausbauende Unternehmen die Mitnutzung passiver Infrastrukturen durch Konkurrenten ablehnen, wenn sie Open Access über einen virtuellen Netzzugang anbieten. So enthalte der GIA laut BREKO keine Regelung, die den akuten Doppelausbau weiter verschärfen würde. Insgesamt vermisst der Verband aber starke Signale für den Glasfaserausbau. 

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Vorwürfe gegen die Telekom

Der BREKO behauptet, dass die Telekom durch strategischen Überbau versucht, Konkurrenten zu verdrängen und so ihre Marktmacht zu erhalten. Sie soll durch den Überbau die Investitionsbereitschaft anderer Anbieter beeinträchtigen, da diese befürchten müssen, dass ihre getätigten bzw. beabsichtigten Investitionen unrentabel werden.

Zudem befürchtet der Verband, dass die Aktivitäten der Telekom dazu führen könnten, dass die Ausbauziele der Bundesregierung im Rahmen der Gigabitstrategie, insbesondere der flächendeckende Glasfaserausbau bis 2030, gefährdet werden. 

Auch Vodafone macht der Telekom Vorwürfe – in diesem Fall aber über zu hohe Mietpreise für die Mitverlegung von Glasfaserkabeln in den Leerrohren der Telekom. Die Telekom verlange „Mondpreise“. Laut Telekom hingegen seien die Preise marktgerecht. Die Bundesnetzagentur will nun die Preise für die Mitverlegung festlegen.

Die Telekom setzt sich zur Wehr

Die Telekom nimmt die Vorwürfe des BREKO nicht einfach hin. Sie betont, dass es derzeit keine konkreten Belege für eine Verdrängungsstrategie seitens des Unternehmens gibt. In von der Telekom in Auftrag gegebenen Gutachten heißt es, dass es keine Hinweise auf eine systematische Verdrängungsstrategie gibt, die darauf abzielt, Wettbewerber gezielt zu behindern oder auszuschließen. Ganz im Gegenteil betont das Unternehmen sogar die Wichtigkeit von Wettbewerb im Ausbau.

Die Telekom argumentiert, dass der Überbau bestehender Glasfasernetze durch das Unternehmen einen geringen Prozentsatz ausmacht, nämlich etwa 1 bis 2 Prozent. Dies steht im Widerspruch zu den Vorwürfen des BREKO, wonach der Überbau weitreichender und problematischer sei.

Die Telekom betont die Notwendigkeit einer faktenbasierten und transparenten Diskussion über den Überbau. Sie hat die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit der Bundesnetzagentur und anderen Institutionen erklärt, um die Situation zu klären und Missverständnisse auszuräumen.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Diskussion über den Überbau im Glasfaserausbau weiterhin andauert, und die verschiedenen Interessenvertreter versuchen, ihre Perspektiven und Standpunkte zu verteidigen. Dennoch muss mittel- und langfristig eine Lösung gefunden werden. 

Open Access als Schlüssel für einen fairen Wettbewerb

Um dem strategischen Doppelausbau entgegenzuwirken, setzt der BREKO auf die Einführung von Open Access. Open Access bedeutet, dass die Glasfaserinfrastruktur nicht exklusiv von einem Anbieter genutzt wird, sondern für verschiedene Telekommunikationsunternehmen zugänglich ist. Dies fördert den Wettbewerb und ermöglicht eine effizientere Nutzung der vorhandenen Infrastruktur.

Die Vorteile liegen laut BREKO auf der Hand: Durch offene Netzzugänge können Auslastung und Refinanzierung der Glasfasernetze verbessert werden, während Endkundinnen eine größere Auswahl an Anbietern erhalten.

Der BREKO hat eine klare Definition von Open Access mit vier Kernpunkten entwickelt: Freiwilliger Netzzugang, offener Netzzugang, diskriminierungsfreier Netzzugang und Fokus auf die Anbindung von Endkund:innen. Diese Definition soll als Grundlage für einen Branchenstandard dienen und freiwillig von den Unternehmen akzeptiert werden. 

Dass der Ansatz den Netzbetreibern und Anbietern Vorteile bringt, zeigt auch die steigende Anzahl an Kooperationen. Immer mehr Telekommunikationsunternehmen verkünden ihre Zusammenarbeit mit anderen Anbietern im Rahmen von Open Access.

Lösungsansätze und Forderungen des BREKO

Angesichts der erkannten Probleme schlägt der BREKO konkrete Maßnahmen vor. Zum Schutz vor strategischem Doppelausbau soll die Telekom als marktbeherrschendes Unternehmen dazu verpflichtet werden, ihre Glasfaser-Ausbauplanung frühzeitig in eine nicht öffentliche Liste einzutragen. Dadurch soll verhindert werden, dass die Telekom kurzfristig auf die Ausbaupläne von Wettbewerbern reagiert, um deren Projekte zu gefährden oder zu verhindern.

Der BREKO fordert zudem eine verstärkte Rolle des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr, um auf Basis der vorliegenden Erkenntnisse konkrete Maßnahmen zu ergreifen. Dies sei entscheidend, um die Ausbauziele zu erreichen und die Dynamik des Glasfaserausbaus in Deutschland zu erhalten. 

Gleichzeitig wird auch der BREKO zum Handeln aufgerufen. Dirk Fieml, Geschäftsführer der tktVivax, forderte den Verband auf den fiberdays 24 auf, eine einheitliche Methode zur Entgeltberechnung im Rahmen von Open Access zu entwickeln. Ansonsten mache sich die Branche abhängig von der Regulierung der Bundesnetzagentur, die – wie das jüngste Urteil zeigt – nicht frei von Makeln ist. Dem solle der BREKO zuvorkommen.

Zusätzlich gibt es neue Marktmodelle, wie z. B. das Fiber4, das sich am Vorbild Schweden orientiert. Bei Fiber4 gründen mehrere Partner zusammen ein Plattformunternehmen, in etwa wie eine Genossenschaft. Der Plattform treten Netzbetreiber als Mitglieder bei. Anschließend können Telekommunikationsanbieter ihre Produkte über das vom Plattformunternehmen betriebene System anbieten – auch überregional. So können Betreiber ihre Produkte in anderen Netzen vermarkten. Gleichzeitig erhalten Verbraucher:innen eine größere Auswahl an Produkten, die Netze werden ausgelastet und es entsteht echter Wettbewerb. Die tktVivax Group und die schwedische Vinnergi-Group bringen das Modell nach Deutschland und gewinnen immer mehr Unternehmen dafür. 

Fazit: Open Access als Weg zu einem nachhaltigen Glasfaserausbau

Der Glasfaserausbau ist entscheidend für die digitale Zukunft, aber Überbau kann diesen Prozess behindern. Open Access stellt eine vielversprechende Lösung dar, um Überbau zu minimieren und eine effiziente Nutzung der Glasfaserinfrastruktur zu gewährleisten. Die Forderung von Open Access-Modellen durch Politik und Regulierungsbehörden ist entscheidend, um eine nachhaltige und zukunftsfähige digitale Infrastruktur zu schaffen. In diesem Sinne sollten alle Beteiligten zusammenarbeiten, um die Herausforderungen des Glasfaserausbaus zu meistern und die Grundlage für eine vernetzte und digitalisierte Gesellschaft zu legen.

Quellen

Boss-Teichmann, Claudia (2024): „EU erzielt Kompromiss beim Gigabit Infrastructure Act“, Cable!vision, 06. Februar 2024, https://www.cablevision-europe.de/_rubric/detail.php?rubric=Politik-Verbaende&nr=23670, letzter Zugriff am 26. März 2024.

BREKO (2023): „BREKO Marktanalyse 2023“, 30. August 2023, https://www.brekoverband.de/site/assets/files/37980/breko_marktanalyse_2023-1.pdf, letzter Zugriff am 30. November 2023.

BREKO (2023): „BREKO-Positionspaper Open Access im Glasfaserausbau“, August 2023, https://www.brekoverband.de/site/assets/files/37769/breko_positionspapier_open_access.pdf, letzter Zugriff am 30. November 2023.

BREKO (2023): „BREKO-Pressestatement zur Veröffentlichung der vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr beauftragten Studie zum Doppelausbau von Glasfasernetzen“, 17. Oktober 2023, https://www.brekoverband.de/aktuelles/news/pressemitteilungen/breko-pressestatement-zur-veroeffentlichung-der-vom-bundesministerium-fuer-digitales-und-verkehr-beauftragten-studie-zum/, letzter Zugriff am 30. November 2023.

BREKO (2023): „Fiberdays 2023: Branche und Politik verständigen sich auf Open Access-Kurs“, 16. März 2023, https://www.brekoverband.de/aktuelles/news/pressemitteilungen/fiberdays-2023-branche-und-politik-verstaendigen-sich-auf-open-access-kurs/, letzter Zugriff am 30. November 2023.

BREKO (2023): „Open Access: Definition des BREKO für offenen Zugang zu Glasfasernetzen schafft Grundlage für Branchenstandard und soll Glasfaserausbau zusätzlichen Schub geben“, 25. August 2023, https://www.brekoverband.de/aktuelles/news/pressemitteilungen/open-access-definition-des-breko-fuer-offenen-zugang-zu-glasfasernetzen-schafft-grundlage-fuer-branchenstandard-und-soll/, letzter Zugriff am 30. November 2023.

Bundesnetzagentur (2023): „Monitoringstelle für Glasfaser-Doppelausbau gestartet“, 03. Juli 2023, https://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2023/20230703_Doppelausbau.html, letzter Zugriff am 30. November 2023.

Dewitz, Wolf von (2024): „‘Mondpreise‘ für Platz in Leerrohren“, Westfälische Nachrichten, 21. März 2024.

Fieml, Dirk (2024): „Open Access 2.0 geht in die Umsetzung“, stadt+werk, 09. Januar 2024, https://www.stadt-und-werk.de/meldung_42662_Open+Access+2.0+geht+in+die+Umsetzung.html, letzter Zugriff am 26. März 2024.

Hankmann, Marc (2024): „BREKO soll drohender Regulierung vorbeugen“, Cable!vision, 29. Februar 2024, https://www.cablevision-europe.de/_rubric/detail.php?rubric=Unternehmen&nr=23908, letzter Zugriff am 26. März 2024.

Krempl, Stefan (2024): „VG Köln: Erste Entscheidung über Entgelte bei offenem Netzzugang rechtswidrig“, heise online, 18. März 2024, https://www.heise.de/news/VG-Koeln-Erste-Entscheidung-ueber-Entgelte-bei-offenem-Netzzugang-rechtswidrig-9658542.html, letzter Zugriff am 26. März 2024. 

Neumann, Karl-Heinz (2023): „Glasfaser-Doppelausbau: Förderlich oder schädlich?“, Tagesspiegel Background, 03. November 2023, https://background.tagesspiegel.de/digitalisierung/glasfaser-doppelausbau-foerderlich-oder-schaedlich, letzter Zugriff am 30. November 2023.

Sawall, Achim (2023): „Angaben der Telekom zum Überbau ‚nicht nachvollziehbar‘“, Golem, 02. August 2023, https://www.golem.de/news/breko-angaben-der-telekom-zum-ueberbau-nicht-nachvollziehbar-2308-176357.html, letzter Zugriff am 30. November 2023.

Sawall, Achim (2023): „Telekom soll sich landesweiten Überbau nicht leisten können“, Golem, 07. November 2023, https://www.golem.de/news/verdraengungsstrategie-telekom-soll-sich-landesweiten-ueberbau-nicht-leisten-koennen-2311-179199.html, letzter Zugriff am 30. November 2023.

Wissenschaftliches Institut für Infrastruktur und Kommunikationsdienste (2023): „Doppelausbau von Glasfasernetzen – Ökonomische Analyse und rechtliche Einordnung. Studie für das Bundesministerium für Digitales und Verkehr“, https://www.wik.org/veroeffentlichungen/veroeffentlichung/doppelausbau-von-glasfasernetzen-oekonomische-analyse-und-rechtliche-einordnung, letzter Zugriff am 30. November 2023. 

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