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Die Energiewende im Fokus: Wie Deutschlands Stromnetze transformiert werden müssen
Zuletzt aktualisiert: 27. November 2024
Die Stromnetze sind das Herzstück der Energiewende in Deutschland. Sie transportieren den Strom aus erneuerbaren Energien von den Energiequellen zu den Verbraucher:innen und stellen sicher, dass Energie zuverlässig und effizient genutzt werden kann. Doch die Umstellung auf erneuerbare Energien stellt die bestehenden Netze vor große Herausforderungen.
Von regionalen Unterschieden in der Stromerzeugung bis hin zu wachsenden Anforderungen durch volatile Energiequellen wie Wind und Solar – die deutschen Stromnetze müssen sich wandeln, um die Klimaziele zu erreichen und eine stabile Versorgung zu garantieren.
Aktueller Stand der Stromnetze in Deutschland
Deutschland verfügt über eines der am besten ausgebauten Stromnetze weltweit, das in Übertragungs- und Verteilernetze unterteilt ist. Übertragungsnetze transportieren Strom mit Höchstspannung über weite Distanzen, während Verteilernetze dafür sorgen, dass der Strom bis in die Haushalte und Betriebe gelangt. Über Kuppelleitungen ist das deutsche Netz zudem eng mit dem europäischen Verbundnetz verbunden, was grenzüberschreitenden Stromhandel ermöglicht.
Der Anteil erneuerbarer Energien am Strommix in Deutschland wächst stetig und lag 2023 bei über 50 %. Dieser Erfolg bringt jedoch neue Herausforderungen mit sich. Die Stromproduktion ist nicht mehr zentral organisiert, wie es bei den früher dominierenden Kohle- und Kernkraftwerken der Fall war, sondern dezentral. Windkraft und Photovoltaik erzeugen Strom oft in entlegenen Gebieten, etwa auf hoher See oder in ländlichen Regionen im Norden und Osten Deutschlands, während die großen Verbrauchszentren, vor allem industrielle Ballungsräume, im Süden und Westen liegen. Diese räumliche Diskrepanz führt zu einem erhöhten Bedarf an leistungsstarken Stromtrassen, die den „Windstrom“ verlustarm zu den Verbrauchszentren transportieren können.
Diese geografische Diskrepanz erfordert den Bau neuer Stromtrassen wie „SuedLink“ oder „SuedOstLink“, die den sogenannten Windstrom in die industriellen Zentren bringen sollen. Nach heutigem Stand müssen bis 2030 über 13.000 Kilometer im Übertragungsnetz optimiert, verstärkt oder neu gebaut werden.
Probleme und Herausforderungen
Trotz der guten Ausgangslage stehen die deutschen Stromnetze vor erheblichen Herausforderungen. Der Ausbau der Netzinfrastruktur geht vielerorts nur schleppend voran. Genehmigungsverfahren sind oft komplex und zeitaufwendig, was zu Verzögerungen führt. Gleichzeitig stehen Projekte wie der Bau von Höchstspannungsleitungen nicht selten unter starkem öffentlichen Druck, da viele Anwohner:innen den Bau neuer Stromtrassen ablehnen. Diese Widerstände erschweren nicht nur die Planungs- und Bauprozesse, sondern stellen auch die gesellschaftliche Akzeptanz der Energiewende infrage.
Ein weiteres großes Problem ist die zunehmende Belastung der Netze durch den ungleichmäßigen Ausbau erneuerbarer Energien. Wind- und Solarenergie sind wetterabhängig und erzeugen Strom nicht konstant, sondern in schwankenden Mengen. Insbesondere in Zeiten hoher Produktion, wie an sonnigen oder windreichen Tagen, entsteht ein Überangebot an Strom, das nicht vollständig genutzt oder gespeichert werden kann. Diese Schwankungen stellen hohe Anforderungen an die Stabilität des Stromnetzes und führen immer wieder zu sogenannten „negativen Strompreisen“, bei denen Strom zu extrem niedrigen oder sogar negativen Preisen verkauft wird. Für Betreibende von Netzen und Steuerzahler:innen bedeutet dies erhebliche Kosten.
Hinzu kommt, dass die Speicherkapazitäten in Deutschland bislang unzureichend sind. Derzeit stehen etwa 12 Gigawattstunden an Speicherkapazität zur Verfügung, während bis 2030 ein Bedarf von 100 Gigawattstunden prognostiziert wird. Ohne ausreichende Speicher können Spitzen bei der Stromerzeugung nicht ausgeglichen werden, was die Netzstabilität weiter gefährdet.
Darüber hinaus stellt der Fachkräftemangel eine erhebliche Hürde dar. Besonders in der Planung und im Bau von Netzinfrastrukturen fehlen qualifizierte Arbeitskräfte, was die Umsetzung dringend benötigter Projekte verzögert. Diese personellen Engpässe betreffen sowohl Netzbetreibende als auch Bauunternehmen und verschärfen den bereits stockenden Fortschritt.
Zusätzlich belasten die hohen Investitionskosten den Netzausbau erheblich. Allein für die Übertragungsnetze werden bis 2030 rund 50 Milliarden Euro an Investitionen benötigt. Diese Kosten stellen eine enorme Herausforderung für Netzbetreibende und Staatshaushalte dar und erfordern langfristige Finanzierungsstrategien.
Besonders kritisch ist auch die ungleichmäßige Entwicklung des Netzausbaus. Während in einigen Ballungsräumen und wirtschaftlich starken Regionen Fortschritte sichtbar sind, hinken viele ländliche Gebiete hinterher. Diese Ungleichgewichte können zu Versorgungsengpässen führen und gefährden eine flächendeckende Energieversorgung.
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Zukünftige Ziele und Strategien
Um die Herausforderungen zu bewältigen und die Energiewende erfolgreich umzusetzen, hat Deutschland ambitionierte Ziele für den Netzausbau formuliert. Bis 2045 soll ein sogenanntes Klimaneutralitätsnetz entstehen, das den Stromtransport vollständig auf erneuerbare Energien ausrichtet. Dieses Netz wird für eine Einspeiseleistung von etwa 160 Gigawatt Windkraft an Land, mindestens 50 Gigawatt Windkraft auf See und rund 350 Gigawatt Photovoltaik ausgelegt. Allein bis 2037 sind dafür Optimierungen und Neubauten von über 13.000 Kilometern Stromleitungen geplant.
Ein zentraler Bestandteil dieser Strategie ist der Ausbau von Höchstspannungs-Gleichstrom-Übertragungsleitungen (HGÜ), die als „Stromautobahnen“ erneuerbare Energie effizient über große Entfernungen transportieren. Projekte wie „SuedLink“ und „SuedOstLink“ sollen sicherstellen, dass Windstrom aus dem Norden Deutschlands zuverlässig in die industriellen Zentren im Süden gelangt. Darüber hinaus spielt die europäische Vernetzung über sogenannte Interkonnektoren eine entscheidende Rolle, um Strom aus erneuerbaren Quellen grenzüberschreitend verfügbar zu machen. Dies fördert nicht nur die Versorgungssicherheit, sondern senkt auch die Kosten der Energiewende.
Parallel dazu setzt Deutschland auf den Einsatz intelligenter Technologien wie Smart Grids. Diese „smarten“ Netze können Stromflüsse dynamisch steuern, indem sie Erzeugung, Speicherung und Verbrauch miteinander verknüpfen. Dadurch wird es möglich, Schwankungen im Stromangebot auszugleichen und den Netzbetrieb effizienter zu gestalten. Unterstützt wird dies durch die Einführung intelligenter Messsysteme (Smart Meter), die eine präzise Überwachung und Steuerung des Stromverbrauchs ermöglichen und sowohl für Netzbetreibende als auch für Verbraucher:innen Vorteile bieten.
Diese strategischen Maßnahmen zeigen, dass Deutschland nicht nur auf den Netzausbau setzt, sondern auch die Digitalisierung und Internationalisierung der Netzinfrastruktur vorantreibt. Sie bilden die Grundlage, um die ambitionierten Klimaziele zu erreichen und die Stromversorgung der Zukunft sicherzustellen.
Notwendige Maßnahmen zur Zielerreichung
Um die ambitionierten Ziele zu erreichen, sind umfassende Maßnahmen erforderlich, die technische, politische und gesellschaftliche Aspekte abdecken. Ein zentraler Schritt ist die Beschleunigung der Genehmigungsverfahren. Durch Änderungen wie das Energiesofortmaßnahmenpaket und das Gesetz zur Beschleunigung des Energieleitungsausbaus wurden bereits erste Fortschritte erzielt, doch bürokratische Hürden bremsen den Netzausbau weiterhin aus. Eine konsequente Vereinfachung der Planungs- und Genehmigungsverfahren ist daher unerlässlich.
Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Modernisierung und dem Ausbau der Stromspeicherkapazitäten. Um die volatilen Erträge aus Wind- und Solarenergie effizient zu nutzen, müssen bis 2030 mindestens 100 Gigawattstunden Speicher bereitgestellt werden – ein enormer Sprung im Vergleich zu den derzeitigen Kapazitäten von nur 12 Gigawattstunden. Dabei spielen innovative Speichertechnologien eine entscheidende Rolle.
Auch die Digitalisierung der Netze ist ein wichtiger Bestandteil der Transformation. Intelligente Stromzähler und Smart Grids ermöglichen eine dynamische Steuerung von Stromflüssen und helfen dabei, Angebot und Nachfrage in Echtzeit aufeinander abzustimmen. Diese Technologien erhöhen nicht nur die Effizienz des Netzbetriebs, sondern leisten auch einen wichtigen Beitrag zur Netzstabilität, insbesondere in einer Stromversorgung, die zu 100 % auf erneuerbaren Energien basiert.
Auf politischer Ebene müssen wirtschaftliche Anreize für Netzbetreibende und Investor:innen geschaffen werden, um die Finanzierung des Netzausbaus langfristig zu sichern. Dies beinhaltet auch eine Reform der Einspeisevergütungen, um den Ausbau erneuerbarer Energien wirtschaftlich attraktiver zu gestalten. Gleichzeitig sollten staatliche Förderprogramme ausgeweitet und die finanzielle Belastung von Kommunen verringert werden, damit auch ländliche Regionen vom Netzausbau profitieren können.
Fazit
Die Stromnetze in Deutschland stehen am Scheideweg. Sie sind nicht nur das Rückgrat der Energiewende, sondern auch der Schlüssel zu einer klimafreundlichen und zukunftssicheren Energieversorgung. Der Status quo zeigt, dass das deutsche Stromnetz gut aufgestellt ist, jedoch dringend modernisiert und ausgebaut werden muss, um den Anforderungen einer dezentralen und volatilen Stromerzeugung gerecht zu werden.
Quellen
Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (o. J.): „Ein Stromnetz für die Energiewende“, https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Dossier/netze-und-netzausbau.html, letzter Zugriff am 28. November 2024.
Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (o. J.): „Erneuerbare Energien“, https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Dossier/erneuerbare-energien.html, letzter Zugriff am 28. November 2024.
Prünte, Tabea (2022): „Was mit überschüssigem Strom passiert“, 08. August 2022, Tagesschau, https://www.tagesschau.de/wirtschaft/energie/windkraft-speicherung-101.html, letzter Zugriff am 28. November 2024.
Walker, Amy (2024): „Übermäßiger Solarstrom in Deutschland wird zur Belastung – Steuerzahler müssen zahlen“, 23. August 2024, Frankfurter Rundschau, https://www.fr.de/wirtschaft/uebermaessiger-solarstrom-in-deutschland-wird-zur-belastung-steuerzahler-muessen-zahlen-93227898.html, letzter Zugriff am 28. November 2024.