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Kritik und Chancen des TK-Netzausbau-Beschleunigungs-Gesetzes im Überblick
Zuletzt aktualisiert: 06. August 2024
Insgesamt drei Jahre und mehr als ein Dutzend Platzierungen auf der Tagesordnung hat es gebraucht: Das Bundeskabinett hat endlich das TK-Netzausbau-Beschleunigungs-Gesetz (TK-NABEG) beschlossen.
Obwohl das Gesetz im Kabinett beschlossen ist, zeigt sich die Branche enttäuscht und spricht von verpassten Chancen. BREKO-Geschäftsführer Albers spricht sogar davon, dass der Glasfaserausbau für die Regierung keine Priorität mehr habe.
Vor allem ein Wort ist dafür verantwortlich: „überragend“. Es hat sowohl die Kritik der Branche ausgelöst als auch dazu geführt, dass sich das Gesetzgebungsverfahren so lange hingezogen hat.
Doch warum gerade dieses Wort? Welche Änderungen bringt das TK-NABEG? Und warum fühlt sich die Branche im Stich gelassen?
Hintergrund und Entwicklung
Der Gesetzgebungsprozess für das TK-Netzausbau-Beschleunigungs-Gesetz begann bereits vor drei Jahren mit der Vereinbarung des Koalitionsvertrags der Ampel-Regierung und war geprägt von einer Vielzahl von Herausforderungen. Einer der Hauptstreitpunkte war die Frage, wie das überragende öffentliche Interesse an Telekommunikationsnetzen mit dem Naturschutz in Einklang gebracht werden kann. Bislang galt der Ausbau von Telekommunikationsnetzen lediglich als „im öffentlichen Interesse“, nun soll es als „im überragenden öffentlichen Interesse“ gelten.
Gilt der Netzausbau als "im überragenden öffentlichen Interesse", hat dieser Vorrang bei Abwägungen mit dem Natur- oder Denkmalschutz. So sollen Genehmigungen beschleunigt werden. Während das Bundesdigitalministerium unter Volker Wissing (FDP) darauf drängte, den Ausbau der Netze als vorrangig zu behandeln, gab es Widerstand seitens des Bundesumweltministeriums unter Steffi Lemke (Grüne), das Bedenken hinsichtlich der Umweltauswirkungen hatte.
Zudem gab es Auseinandersetzungen darüber, ob und wie weit das Gesetz auch die Mitnutzung öffentlicher Gebäude für den Ausbau der Netze einschließen sollte. Diese Punkte führten zu monatelangen Verhandlungen und mehrfachen Überarbeitungen des Gesetzentwurfs, bevor eine Einigung erzielt werden konnte.
Inhalte und Änderungen des TK-Netzausbau-Beschleunigungs-Gesetzes
Jetzt ist es aber so weit: Das TK-Netzausbau-Beschleunigungs-Gesetz ist im Kabinett beschlossen und bringt eine Reihe von Änderungen und Neuerungen mit sich, die darauf abzielen, den Ausbau der Telekommunikationsnetze in Deutschland zu beschleunigen und zu vereinfachen:
1. Definition und Ziele des Gesetzes
Das Gesetz definiert den Ausbau der Telekommunikationsnetze als im „überragenden öffentlichen Interesse“ liegend und setzt diese Priorisierung bis 2030 fest. Dies bedeutet, dass der Netzausbau in behördlichen Erwägungen bevorzugt behandelt wird, wodurch Genehmigungsverfahren schneller abgewickelt werden können. Allerdings gibt es Einschränkungen: Dieses überragende öffentliche Interesse gilt im naturschutzrechtlichen Verfahren nur für den Ausbau von Mobilfunkmasten, nicht aber für den Glasfaserausbau. Außerdem gilt das überragende öffentliche Interesse nur da, wo das ausbauende Telekommunikationsunternehmen noch keine Mobilfunkversorgung hat – sprich: wo es Funklöcher gibt. Laut Digitalministerium betrifft das knapp 17 Prozent der Fläche Deutschlands.
2. Gigabit-Grundbuch
Das bereits bestehende Gigabit-Grundbuch wird durch das Gesetz deutlich erweitert und angepasst. Dieses einheitliche Informationsportal, das im Telekommunikationsgesetz verankert wird, strukturiert und stellt alle relevanten Daten für den Netzausbau bereit. Dadurch soll der Netzausbau effizienter und transparenter gestaltet werden. Die Erweiterung umfasst eine detailliertere Erfassung von Infrastrukturdaten, die für den Ausbau notwendig sind. Dies soll dazu beitragen, Doppelarbeiten zu vermeiden und die Nutzung bestehender Infrastrukturen zu optimieren.
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3. Beschleunigte Wegerechtszustimmung
Ein zentraler Punkt des Gesetzes ist die Beschleunigung der Verfahren zur Wegerechtszustimmung. Bisher waren langwierige Genehmigungsverfahren ein erhebliches Hindernis für den zügigen Netzausbau. Mit den neuen Bestimmungen wird die Frist zur Erteilung einer Genehmigung von bisher drei Monaten auf zwei Monate verkürzt. Reagiert die zuständige Behörde nicht innerhalb dieser Frist, gelten Genehmigungen automatisch als erteilt – die sogenannte Genehmigungsfiktion. Zudem müssen Behörden innerhalb von drei Wochen auf unvollständige Anträge hinweisen, statt wie bisher nach einem Monat. Dies sorgt für mehr Planungssicherheit und beschleunigt den gesamten Prozess.
4. Anspruch auf Mitnutzung öffentlicher Gebäude
Die Schaffung eines Anspruchs auf Mitnutzung öffentlicher Gebäude zur Errichtung von Mobilfunksendeanlagen stellt eine bedeutende Erleichterung für den Ausbau der Mobilfunkinfrastruktur dar. Öffentliche Gebäude bieten oft gut geeignete Standorte für Mobilfunkmasten, da sie bereits erschlossen und gut erreichbar sind. Diese Regelung reduziert die Notwendigkeit, neue Standorte zu suchen, und beschleunigt somit den Ausbau.
5. Erweiterte Befugnisse der Bundesnetzagentur
Die Bundesnetzagentur erhält erweiterte Befugnisse zur Datenerhebung und -bereitstellung. Dies soll nicht nur die Effizienz der Datenverarbeitung erhöhen, sondern auch die Bereitstellung relevanter Informationen für Unternehmen erleichtern. Durch die verbesserten Daten können Unternehmen effizienter planen und schneller auf verfügbare Ressourcen zugreifen. Die verbesserte Datenverfügbarkeit ermöglicht es der Bundesnetzagentur, den Fortschritt des Netzausbaus besser zu überwachen und gegebenenfalls rechtzeitig einzugreifen.
6. Minderung der Preise bei unzureichender Bandbreite
Ein weiterer wichtiger Punkt des Gesetzes betrifft die Verbraucherrechte. Wenn die vertraglich vereinbarte Internetgeschwindigkeit nicht geliefert wird, greift das 2021 eingeführte Minderungsrecht und haben Verbraucher:innen haben das Recht, den Preis entsprechend zu mindern. Mit dem TK-NABEG wurde die Preisminderung nun pauschal auf 10 Prozent festgesetzt.
Diese Änderungen zielen darauf ab, den Netzausbau in Deutschland schneller und effizienter zu gestalten und gleichzeitig die Transparenz und Planbarkeit für alle Beteiligten zu verbessern. Unternehmen profitieren von schnelleren Genehmigungsverfahren und einer besseren Datenlage, was insgesamt zu einer Beschleunigung des Ausbaus der Telekommunikationsnetze führen soll.
Kritik am Gesetz
Trotz der positiven Aspekte und der Zielsetzung des TK-Netzausbau-Beschleunigungs-Gesetzes gibt es auch erhebliche Kritik aus der Branche und von Interessenvertretern. Eine der Hauptkritikpunkte ist die Einschränkung des überragenden öffentlichen Interesses auf den Mobilfunkausbau im naturschutzrechtlichen Verfahren. Dies bedeutet, dass der Glasfaserausbau in vielen Fällen weiterhin langwierige naturschutzrechtliche Prüfungen durchlaufen muss, was den Ausbau erheblich verzögern kann. Branchenverbände wie BREKO kritisieren, dass diese Einschränkung den dringend notwendigen Glasfaserausbau behindert und die Ziele der Gigabitstrategie gefährdet.
Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst äußerte Bedenken bezüglich der zusätzlichen bürokratischen Hürden und Belastungen für die Unternehmen. Insbesondere die Verschärfung des Minderungsrechts bei Streitfällen um die Internetgeschwindigkeit und die Einführung des erweiterten Gigabit-Grundbuchs, das Sicherheitsrisiken für die Unternehmen birgt, werden kritisch gesehen. „Deutschland braucht leistungs- und zukunftsfähige Telekommunikationsnetze. Der Ausbau der TK-Infrastruktur braucht in Deutschland endlich Vorfahrt“, betont Wintergerst.
Stephan Albers, Geschäftsführer des BREKO, zeigte sich ebenfalls enttäuscht über den Entwurf und kritisierte, dass das Gesetz trotz monatelanger Diskussionen innerhalb der Bundesregierung keine substanzielle Erleichterung und Beschleunigung des Glasfaserausbaus bietet. „Obwohl die Bundesregierung den Ausbau der digitalen Infrastruktur im TK-NABEG als ‚im überragenden öffentlichen Interesse‘ eingestuft hat, wird der Glasfaserausbau davon nicht profitieren, da im Rahmen naturschutzrechtlicher Prüfungen das ‚überragende öffentliche Interesse‘ nur für den Mobilfunkausbau gilt“, erklärte Albers.
Da das Gesetz den Mobilfunkausbau priorisiert, gibt es Kritik von Umweltschutzorganisationen, die befürchten, dass dies zu einem vermehrten Eingriff in geschützte Naturräume führen könnte. Diese Organisationen argumentieren, dass die Lockerungen im naturschutzrechtlichen Verfahren den langfristigen Schutz von Umwelt und Biodiversität gefährden könnten.
Ausblick und Fazit
Die erwarteten Auswirkungen des Gesetzes sind vielfältig. Zum einen wird durch die Beschleunigung der Genehmigungsverfahren und die Priorisierung des Netzausbaus als überragendes öffentliches Interesse der Ausbau der Mobilfunkinfrastruktur voraussichtlich erheblich schneller voranschreiten. Dies ist besonders wichtig für ländliche Gebiete, die bisher unterversorgt sind und dringend eine bessere Anbindung benötigen. Die verbesserte Mobilfunkabdeckung kann nicht nur die Lebensqualität der Bewohner:innen erhöhen, sondern auch die wirtschaftliche Entwicklung in diesen Regionen fördern.
Für den Glasfaserausbau sind die Erwartungen gemischt. Während die erweiterten Befugnisse der Bundesnetzagentur und die Anpassungen im Gigabit-Grundbuch eine effizientere Planung und Umsetzung versprechen, bleibt die Beschränkung des überragenden öffentlichen Interesses auf den Mobilfunkausbau ein Hemmschuh. Um die flächendeckende Versorgung mit Glasfaser bis 2030 zu erreichen, sind weitere Maßnahmen notwendig. Ob dieses ambitionierte Ziel eingehalten wird, ist allerdings fraglich. In Gebieten, in denen ein wirtschaftlicher Ausbau nicht möglich ist, unterstützt die Bundesregierung auch weiterhin aktiv – mit der Gigabitförderung 2.0. Diese Förderung wird im nächsten Jahr allerdings nur noch ein Budget von zwei Milliarden Euro anstatt drei Milliarden Euro haben. Hier zeichnet sich eine Überzeichnung des Fördertopfes bereits jetzt ab.
BREKO-Geschäftsführer Albers fordert daher von Bundestag und Bundesrat, die dem Gesetz noch zustimmen müssen, eine grundlegende Nachbesserung, „um doch noch Rahmenbedingungen für eine Beschleunigung des Glasfaserausbaus zu schaffen“. Möglicherweise werden im parlamentarischen Verfahren also noch Änderungen vorgenommen.
Es bleibt abzuwarten, wie sich das TK-Netzausbau-Beschleunigungs-Gesetz in der Praxis bewährt und welche zusätzlichen Maßnahmen die Bundesregierung ergreifen wird, um die Ausbauziele zu erreichen. Nach drei Jahren soll das Gesetz zudem evaluiert und untersucht werden, inwiefern es zu einer Beschleunigung des Netzausbaus geführt hat.
Quellen
Bernhard, Roland (2024): „Bundesregierung beschließt Beschleunigungsgesetz zum Netzausbau“, com! professional, 25. Juli 2024, https://www.com-magazin.de/news/internet/bundesregierung-beschliesst-beschleunigungsgesetz-netzausbau-2927982.html, letzter Zugriff am 30. Juli 2024.
Rudl, Thomas (2024): „Netzausbau soll im ‚überragenden öffentlichen Interesse‘ stehen“, netzpolitik.org, 24. Juli 2024, https://netzpolitik.org/2024/gesetzentwurf-netzausbau-soll-im-ueberragenden-oeffentlichen-interesse-stehen/, letzter Zugriff am 30. Juli 2024.
Sawall, Achim (2024): „Glasfaserbranche mit Gesetz beim Naturschutz unzufrieden“, golem.de, 24. Juli 2024, https://www.golem.de/news/tk-nabeg-glasfaserbranche-mit-gesetz-beim-naturschutz-unzufrieden-2407-187397.html, letzter Zugriff am 30. Juli 2024.
Spiegel Netzwelt (2024): „Bundesregierung beschließt Gesetz zur Beschleunigung des Netzausbau“, 24. Juli 2024, https://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/funkloecher-bundesregierung-beschliesst-gesetz-zur-beschleunigung-des-netzausbaus-a-af184ef2-3fe3-4323-b51f-7ec5cdd55ae1, letzter Zugriff am 30. Juli 2024.
Timmler, Vivien (2024): „Funklöcher schließen ja, schnelles Internet nein“, Süddeutsche Zeitung, 24. Juli 2024, https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/netzausbau-beschleunigung-deutschland-glasfaser-schnelles-internet-tk-nabeg-lux.N6t9FHw8J132YYExJUAQBF?isSubscriber=false, letzter Zugriff am 30. Juli 2024.
Trunzik, Stefan (2024): „Gigabit-Ziel in Gefahr: Neues Netzausbau-Gesetz bevorzugt Mobilfunk“, WinFuture, 24. Juli 2024, https://winfuture.de/news,144121.html, letzter Zugriff am 30. Juli 2024.
Wenzel, Frank-Thomas (2024): „Kein ‚Ausbau-Booster‘? Wieso das neue Gesetz für schnelleres Internet nur ein halbgares ist“, RedationsNetzwerk Deutschland, 24. Juli 2024, https://www.rnd.de/wirtschaft/internet-ausbau-in-deutschland-wieso-das-neue-gesetz-nur-halbgar-wirkt-5KBLPFPUYJHERAUFDPT4ISCTYU.html, letzter Zugriff am 30. Juli 2024.