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Glasfaserausbau in Deutschland: Gigabitziele 2030 auf der Kippe
Zuletzt aktualisiert: 29. Oktober 2024
Die Bundesregierung hat mit ihrer Gigabitstrategie ein klares Ziel gesetzt: Bis zum Jahr 2030 sollen alle Haushalte und Unternehmen in Deutschland flächendeckend mit Glasfaser versorgt sein. Dieses Vorhaben gilt als eine Grundvoraussetzung, um Deutschland wettbewerbsfähig und zukunftsfähig in der digitalen Welt zu positionieren.
Doch trotz umfangreicher Planungen und Unterstützungsmaßnahmen zeigt sich zunehmend Skepsis seitens der Telekommunikationsunternehmen (TKU), ob dieses Ziel tatsächlich erreichbar ist. Die Gründe dafür sind vielfältig: Von langwierigen Genehmigungsverfahren bis hin zu Engpässen im Tiefbau und einem Mangel an Fachkräften stoßen die Ausbaupläne in der Praxis auf erhebliche Hürden.
Warum die Gigabitziele bis 2030 in Gefahr sind
„Flächendeckend Glasfaser bis 2030, dieses Ziel ist nicht zu erreichen, wenn nicht alle Beschleunigungsfaktoren genutzt werden,“ betont Dr. Frederic Ufer, Geschäftsführer des VATM, und weist auf die wachsende Frustration in der Branche hin. Auch der Bundesverband Breitbandkommunikation e. V. (BREKO) sieht die Entwicklungen kritisch: „Das politische Ziel eines flächendeckenden Glasfaserausbaus bis 2030 ist nicht mehr erreichbar,“ warnt BREKO-Präsident Norbert Westfal und fordert dringend eine Kurskorrektur.
Die BREKO Marktanalyse 2024 zeigt, dass die Geschwindigkeit des Glasfaserausbaus bereits zurückgeht: So wird prognostiziert, dass die Ausbauquote bis 2025 auf 50 Prozent und bis 2030 auf lediglich 76 bis 86 Prozent ansteigen wird – deutlich unter den ursprünglichen Zielvorgaben der Bundesregierung. „Dass sich der Ausbau in der Fläche verlangsamt, ist ein Frühindikator mit Folgen,“ so Westfal weiter. Gleichzeitig bleiben weniger profitable Regionen ohne Anschlussmöglichkeiten zurück, was die flächendeckende Zielerreichung erheblich beeinträchtigt.
Ein zentraler Kritikpunkt der Telekommunikationsunternehmen (TKU) ist die fehlende Anerkennung des Glasfaserausbaus als „überragendes öffentliches Interesse“ im Telekommunikations-Netzausbau-Beschleunigungsgesetz (TK-NABEG). Diese Einstufung würde den Ausbau rechtlich priorisieren und damit die Genehmigungsverfahren erheblich beschleunigen. Bisher gilt diese Regelung jedoch nur für den Mobilfunkausbau.
Zusätzlich fehlt eine flächendeckende Genehmigungsfiktion – ein beschleunigtes Genehmigungsverfahren, das bisher nur in drei Bundesländern eingeführt wurde und dort teilweise mit Einschränkungen greift. Diese regulatorischen Lücken führen zu erheblichen Verzögerungen und bürokratischem Aufwand für die Ausbauprojekte.
Hinzu kommen die Herausforderungen des „Überbaus“, bei dem konkurrierende TKU in wirtschaftlich attraktiven Gebieten Glasfasernetze parallel verlegen. Dieser Doppelausbau bindet nicht nur erhebliche Ressourcen, sondern führt zu ineffizienter Nutzung der verfügbaren Mittel und schreckt potenzielle Investoren ab.
Ein weiterer Aspekt ist die Kupfer-zu-Glasfaser-Migration: Hier erwartet die Branche von der Bundesregierung klare Regelungen, um den Übergang wettbewerbskonform und effizient zu gestalten. Ohne ein einheitliches Konzept für die Abschaltung der alten Kupfernetze bleibt die Einführung von Glasfaseranschlüssen oft verlangsamt.
Auch die Gigabitförderung wurde angepasst, doch die strategische Neuausrichtung, die auf eigenwirtschaftlichen Ausbau in ausbaufähigen Gebieten setzt, führt zu Unsicherheiten in Regionen, die auf Fördermittel angewiesen sind.
Fortschritte und Maßnahmen der Bundesregierung
Trotz der Hindernisse hat die Bundesregierung in ihrem Fortschrittsbericht zur Gigabitstrategie erste positive Entwicklungen hervorgehoben. Seit dem Start der Strategie wurden laut Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) bereits 87 Prozent der vorgesehenen Maßnahmen erfolgreich initiiert oder abgeschlossen.
Eine bedeutende Rolle spielt dabei die Einführung der DIN-Norm 18220, die alternative Verlegemethoden wie Trenching und Pflugverfahren standardisiert. Diese neuen Methoden sollen den Ausbau beschleunigen, die Baukosten senken und den Ressourcenaufwand minimieren.
Auch das Gigabit-Grundbuch und die Zentrale Informationsstelle des Bundes (ZIS) tragen zur besseren Planungsgrundlage bei, indem sie eine zentrale Datenplattform für Ausbauprojekte schaffen. So können Kommunen und Unternehmen schnell und effizient auf infrastrukturelle Informationen zugreifen, um ihre Projekte gezielt und ressourcenschonend zu planen.
VATM-Geschäftsführer Dr. Frederic Ufer bezieht dazu wie folgt Stellung: „Der Fortschrittsbericht zur Gigabitstrategie zeigt wenige Lichtblicke, aber vor allem viel Schatten.“
Die Debatte um die Gigabitförderung
Die Kürzung der Gigabitförderung durch die Bundesregierung hat sowohl bei Kommunen als auch bei TKU unterschiedliche Reaktionen ausgelöst. Die ursprünglich für 2024 vorgesehenen drei Milliarden Euro wurden auf zwei Milliarden Euro reduziert und für 2025 ist eine weitere Absenkung auf eine Milliarde Euro geplant. Diese Budgetanpassung hat die Debatte um eine zielgerichtete und effiziente Ausgestaltung der Förderung verstärkt.
Für die Kommunen bedeutet diese Kürzung eine zusätzliche finanzielle Herausforderung. Sie befürchten, dass ohne ausreichende Mittel der Glasfaserausbau in strukturschwachen und ländlichen Regionen stark verlangsamt wird. Besonders problematisch ist für sie die Erhöhung der Eigenanteile, die finanzschwache Kommunen oft nicht leisten können, was in einigen Regionen zu weiteren Verzögerungen führt. Kommunale Vertreter:innen kritisieren, dass die staatliche Unterstützung für Gebiete, die besonders auf Förderung angewiesen sind, nachlässt und fordern eine Rückkehr zu einer umfangreicheren Förderung sowie eine Reduktion der bürokratischen Hürden im Antragsprozess.
Die TKU hingegen sehen die Kürzungen als Chance, die Fördermittel effizienter zu nutzen und den Fokus stärker auf den eigenwirtschaftlichen Ausbau zu legen. Aus ihrer Sicht verläuft dieser eigenfinanzierte Ausbau schneller und flexibler als der geförderte Ausbau, der oft durch langwierige Antrags- und Genehmigungsprozesse gebremst wird. Sie fordern eine maximale jährliche Fördersumme von einer Milliarde Euro, die gezielt in Gebiete mit besonders schlechter Netzabdeckung und in wirtschaftlich weniger attraktive Regionen fließen sollte, um so unnötige Doppelförderungen zu vermeiden.
Zudem schlagen die TKU alternative Förderkonzepte vor, wie beispielsweise „Glasfaser-Gutscheine“ für unterversorgte Regionen, durch die Bürger:innen und Unternehmen direkt finanzielle Unterstützung für Glasfaseranschlüsse erhalten würden. Diese Maßnahmen sollen sicherstellen, dass Ausbauprojekte in den Bereichen gefördert werden, wo ein eigenwirtschaftlicher Ausbau nicht tragfähig ist, während andere Regionen durch private Investitionen erschlossen werden.
Von der Branche geforderte Maßnahmen
Angesichts der zahlreichen Herausforderungen, die den Ausbau der Gigabitinfrastruktur hemmen, formulieren Branchenverbände und Unternehmen gezielte Forderungen an die Bundesregierung, um den Glasfaserausbau effizienter und schneller zu gestalten:
- Bundesweite Genehmigungsfiktion: Die TKU fordern eine einheitliche und schnelle Genehmigungspraxis, die durch eine flächendeckende Genehmigungsfiktion beschleunigt wird. Dies sei unverzichtbar, um Ausbauverzögerungen zu verhindern und Ressourcen effizient zu nutzen.
- Aufnahme des Glasfaserausbaus als „überragendes öffentliches Interesse“ im TK-NABEG: Telekommunikationsunternehmen setzen sich dafür ein, den Glasfaserausbau rechtlich zu priorisieren. Die Aufnahme in das TK-NABEG würde Genehmigungsverfahren erleichtern und bürokratische Hürden minimieren.
- Planungssicherheit durch ein Konzept zur Kupfer-Glas-Migration: Die TKU fordern von der Regierung eine verlässliche Regelung für die schrittweise Abschaltung der Kupfernetze, um den Glasfaserausbau zu fördern und den nahtlosen Übergang zu gewährleisten.
- Förderung von Open-Access-Modellen: Um den Wettbewerb zu stärken und die Nutzung bestehender Infrastruktur zu maximieren, drängen die TKU auf Modelle, die einen fairen Zugang zur Glasfaserinfrastruktur sicherstellen und so den Ausbau in unterversorgten Regionen erleichtern.
- Begrenzung der jährlichen Fördersumme auf eine Milliarde Euro: Aus Sicht der TKU sollte die jährliche Fördersumme auf maximal eine Milliarde Euro begrenzt werden, die gezielt in Regionen mit schlechter Netzabdeckung fließen sollte. So würden die Mittel effizienter verteilt und Doppelförderungen vermieden.
Die TKU sind überzeugt, dass diese Maßnahmen die Effizienz des Ausbaus erheblich steigern und die Chancen verbessern würden, die ambitionierten Gigabitziele bis 2030 zu erreichen.
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Abschließende Analyse: Aktuelle und zukünftige Schritte zur Erreichung der Gigabitziele
Die Bundesregierung hat mit der Gigabitstrategie wichtige Grundlagen geschaffen und durch Maßnahmen wie die Einführung der DIN-Norm 18220, das Gigabit-Grundbuch und die neue Zentrale Informationsstelle des Bundes (ZIS) deutliche Fortschritte erzielt. Diese Initiativen bieten eine solide Basis für den beschleunigten Glasfaserausbau, dennoch bleibt die Erreichung der Gigabitziele bis 2030 ein ambitioniertes Vorhaben. Die Forderungen der Telekommunikationsunternehmen und Kommunen verdeutlichen, dass in der praktischen Umsetzung weiterhin erhebliche Herausforderungen bestehen.
Ob eine bundesweite Genehmigungsfiktion, die Förderung von Open-Access-Modellen oder die Begrenzung der jährlichen Fördermittel – die vorgeschlagenen Maßnahmen der TKU zeigen klar auf, dass eine gezieltere Förderung und eine intensivere Unterstützung des eigenwirtschaftlichen Ausbaus notwendig sind. Nur so können Gebiete mit schlechter Netzabdeckung schneller und effizienter erschlossen werden, ohne dass Ressourcen in bereits gut versorgte Regionen fließen. Eine konsequente Umsetzung dieser Maßnahmen könnte letztlich dazu beitragen, dass das Ziel einer flächendeckenden Gigabitversorgung bis 2030 realistisch bleibt.
Quellen
BREKO (2024): „Anpassung der Gigabitförderung führt zu schnellerem Glasfaserausbau“, 26. Juli 2024, https://www.brekoverband.de/aktuelles/news/pressemitteilungen/anpassung-der-gigabitfoerderung-fuehrt-zu-schnellerem-glasfaserausbau/, letzter Zugriff am 25. Oktober 2024.
BREKO (2024): „Stillstand statt Fortschritt – Bundesregierung muss die wichtigsten Themen der Gigabitstrategie endlich umsetzen“, 14. Oktober 2024, https://www.brekoverband.de/aktuelles/news/pressemitteilungen/stillstand-statt-fortschritt-bundesregierung-muss-die-wichtigsten-themen-der-gigabitstrategie-endlich-umsetzen/, letzter Zugriff am 25. Oktober 2024.
Bundesministerium für Digitales und Verkehr (2024): „Fortschrittsbericht zeigt Ausbaudynamik – 35 neue Maßnahmen vorgestellt“, 14. Oktober 2024, https://bmdv.bund.de/SharedDocs/DE/Pressemitteilungen/2024/085-wissing-fortschrittsbericht-gigabitstrategie.html, letzter Zugriff am 25. Oktober 2024.
Bundesministerium für Digitales und Verkehr (2024): „Fortschrittsbericht zur Gigabitstrategie der Bundesregierung“, Oktober 2024, https://bmdv.bund.de/SharedDocs/DE/Anlage/DG/fortschrittsbericht-gigabitstrategie.pdf?__blob=publicationFile, letzter Zugriff am 25. Oktober 2024.
VATM (2024): „Ein Jahr Bund-Länder-Pakt: Mangelnde Umsetzung blockiert Beschleunigung beim Netzausbau“, 23. Oktober 2024, https://www.vatm.de/ein-jahr-bund-laender-pakt-mangelnde-umsetzung-blockiert-beschleunigung-beim-netzausbau/, letzter Zugriff am 25. Oktober 2024.
VATM (2024): „VATM-Pressestatement zum Fortschrittsbericht Gigabitstrategie des BMDV“, https://www.vatm.de/vatm-pressestatement-zum-fortschrittsbericht-gigabitstrategie-des-bmdv/, letzter Zugriff am 25. Oktober 2024.